Körnererbsen in aller Munde schaffen Vielfalt, nicht nur auf dem Acker

Hülsenfrüchtler, auch Leguminosen genannt, spielen im Ackerbau - besonders in der kreislauforientierten ökologischen Landwirtschaft - eine zentrale Rolle. Sie sind für die Stickstoffversorgung der Fruchtfolgen, die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, für das Management von Beikräutern und Schaderregern sowie die Selbstversorgung mit Tierfutter von großer Bedeutung.

Doch was können sie noch?


Erbsen und Weizen mit glücklichem Sonnenlämmchen

Agrarökologische Innovationen betreffen immer die ganze Wertschöpfungskette, d.h. auch alle Verarbeitungsstufen, den Handel und die Konsumenten. Die Verbreitung von Ackerbaustrategien, die umfassend ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig ausgerichtet sind, hängt somit nicht allein von der Landwirtschaft ab. Das Forschungsprojekt VORWERTS untersucht und erprobt die Verwendung ökologischer Rohstoffe aus Mischkultur (Erbse/Backgetreide) in ökologischen Wertschöpfungsketten. Im Praxis-Verbund mit insgesamt 25 Betrieben aus der Landwirtschaft, dem Mühlen- und Bäckereihandwerk sowie deren Kundschaft werden der Anbau, die Aufbereitung und Trennung, die Verarbeitung sowie die Vermarktung von Weizen-Körnererbsen-Gemengen untersucht. Beteiligt an dem vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) finanzierten Projekt der Universität Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften in Witzenhausen sind die Atelier Ernährungswende gUG und der Berufsverband Die Freien Bäcker e.V.  

Hülsenfrüchtler, auch Leguminosen genannt, spielen im Ackerbau - besonders in der kreislauforientierten ökologischen Landwirtschaft - eine zentrale Rolle. Sie sind für die Stickstoffversorgung der Fruchtfolgen, die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, für das Management von Beikräutern und Schaderregern sowie die Selbstversorgung mit Tierfutter von großer Bedeutung. Darüber hinaus liefern Leguminosen im Ackerbau wertvolle Ökosystemleistungen wie z.B. die Förderung der Artenvielfalt durch das Futterangebot für Bestäuberinsekten und in mehrjährigen Beständen auch durch ihre Habitatfunktion für Vögel, die dort Brüten oder Jagen (z.B. Feldlerche oder Rotmilan). Während kleinsamige Leguminosen wie Klee und Luzerne zur Wiederkäuerernährung genutzt werden können und Druschfrüchte wie Ackerbohne und Erbse auch als Proteinfutter Verwendung finden, ist der Anbau von Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung noch sehr beschränkt. Die Nutzung von Körnererbsen als Nahrungsmittel gewann bisher insbesondere aufgrund der wachsenden Nachfrage nach vegetarischen oder veganen Produkten an Bedeutung. 

Vielfalt schafft Stabilität 

Zusätzliche positive Effekte erzielen Körnerleguminosen wenn sie im Gemenge, d.h. in Mischkultur mit anderen Druschfrüchten, angebaut werden. So können sich in gemischten Beständen Krankheiten und Schaderreger generell schlechter ausbreiten. Nährstoff- und Wasserressourcen werden nicht so einseitig genutzt wie in einer Monokultur. Unterschiedliche Ansprüche und Wurzelsysteme können sich ergänzen und verringern die Konkurrenz der Einzelpflanzen. Auch die Vielfalt der Bodenmikroorganismen wird durch den Mischanbau gefördert. All diese Vorteile machen Mischkulturen zu einer wichtigen Strategie bei der Klimawandelanpassung, der Ressourcenschonung und der Förderung der Artenvielfalt im Agrarökosystem.  

Für Betriebe stellt die Diversifizierung auf dem Acker wirtschaftlich auch einen Risikopuffer dar. Sollte ein Mischungspartner durch abiotische oder biotische Stressfaktoren während des Wachstums stark leiden, trifft das nicht unbedingt die andere Kultur, die nun stärker zum Tragen kommt und Ertragsausfälle kompensieren kann. 

Speziell in der Mischkultur mit Leguminosen zeigen die Partnerkulturen auch bessere Qualitäten, z.B. höhere Proteingehalte. Der Grund dafür ist die Fähigkeit der symbiontischen Stickstofffixierung sowie ein Verdünnungseffekt. In Mischkultur mit einer Körnerleguminose nämlich werden z.B. bei Getreide nur ca. 70 Prozent der Körner gegenüber einer Reinkultur ausgesät. Während die Leguminose sich also aus der Luft quasi selbst versorgt, steht der Bodenstickstoff für insgesamt weniger Individuen der Partnerkultur zur Verfügung. Auch dies ist besonders für den ökologischen Anbau interessant, da die Erzeugung von proteinreichem Backgetreide ohne mineralische Stickstoffgaben je nach Standort und Witterung häufig eine große Herausforderung ist. 

Mischkultur erhöht die Flächenproduktivität 

Während in Mischkultur (z.B. mit einer Körnerleguminose) zwar nur 70 Prozent der Getreidekörner ausgesät werden, übersteigt der Ertrag dennoch häufig 70 Prozent des Ertrages in Reinkultur. Dasselbe gilt auch für den Leguminosenpartner, der beim Ertrag ebenfalls häufig den Erwartungswert übertrifft. Die verschiedenen Effekte des Mischanbaus erhöhen also den Gesamtertrag der Fläche im Gegensatz zur Monokultur. In Zeiten von Flächenknappheit und wachsender Weltbevölkerung ist die Mischkultur ein Ansatz zur ökologischen Intensivierung, d.h. der Produktivitätssteigerung ohne höhere Mengen externer Inputs wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel.  

Trotz der vielen Vorteile der Mischkultur, insbesondere mit Leguminosen, ist ihr Flächenanteil in Deutschland und Europa sehr gering. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ein wichtiges Hemmnis jedoch ist die Wirtschaftlichkeit für den Erzeugerbetrieb. Die Trennung der Gemengepartner nach der Ernte – für eine Lebensmittelherstellung unabdingbar – ist für viele Betriebe zu aufwendig und Erfasser wie der Landhandel und die Mühlen, nehmen Gemenge allenfalls als Viehfutter an, egal ob das Getreide darin beste Backqualität hat. Ebenfalls fehlt es an Absatzmöglichkeiten von Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung. Vor diesem Hintergrund werden Mischkulturen lediglich zu Futterzwecken angebaut, denn zur Tierernährung müssen die Gemengepartner nicht getrennt werden. 

Backweizen im Gemenge mit Erbsen 

Das VORWERTS-Projekt möchte dies ändern, indem die Herausforderungen von Mischkulturen zur Humanernährung gemeinsam mit Betrieben und Akteuren der gesamten Wertschöpfungskette in der Praxis untersucht werden. So sollen Hemmnisse abgebaut und Erfahrungen und Wissen geschaffen werden.  

VORWERTS arbeitet mit 25 Betrieben in acht regionalen Bio-Wertschöpfungsketten zusammen.  Schwerpunktmäßig geht es darum, die Korntrennung, Reinigung, Backqualität, Vermahlung und Verarbeitung von Backweizen aus Mischkulturanbau zu bewerten und zu optimieren. Der Hauptfokus liegt beim Weizen, nichtsdestotrotz haben die Praxisbetriebe ein großes Interesse am Erbsenmehl.  
So werden zum Beispiel Back-Workshops durchgeführt, bei denen Brote und Gebäck mit verschiedenen Anteilen Erbsenmehl hergestellt und bewertet werden. Um Optimierungspotenziale der Verarbeitungsprozesse zu identifizieren, wird der Backweizen aus der Mischkultur in der Praxis verarbeitet und von den Partnerbäckereien vermarktet. Dazu zählen auch Verkaufstests und Befragungen, von denen sich die Projektbeteiligten Aufschluss über die Verbraucherakzeptanz und das Vermarktungspotenzial der "Mischkulturbrote" versprechen. Erarbeitet werden nicht nur konkrete Handlungsempfehlungen zur Verbreitung von Weizen-Körnerleguminosen-Mischkulturen, sondern es wird auch eine Blaupause für transdisziplinäre Praxisforschung geschaffen. 

Dr. Torsten Siegmeier und Anke Kähler 

Weitere Informationen:  

www.vorwerts-projekt.de 

 

 

Mehr zum Thema Agrarökologie 

 

https://www.oxfam.de/system/files/agraroekologie2019_positionspapier.pdf  

https://www.inkota.de/welternaehrung-landwirtschaft/agraroekologie/agraroekologie-deutschland  

mit-agraroekologie-fuer-das-recht-auf-nahrung.pdf (divio-media.net) 

 


Weitere Infos:

vorwerts-projekt.de

intercropvalues.eu